Atem-Wellen - Die Basis für Pranayama

Unbewusste Atemmuster

Bevor man mit Pranayama Techniken beginnt, sollte man sich mit den eigenen Atemmustern vertraut machen und diese ggf. ausgleichen und harmonisieren. Viele Menschen haben sich im Laufe ihres Lebens ungesunde Atemmuster angewöhnt. So wie sich Konditionierungen in unserem Gewebe z.B. als Muskelverspannungen und verklebte Faszien manifestieren, so manifestieren sie sich auch in unseren Atemgewohnheiten indem bestimmte Atemräume weniger oder gar nicht beatmet werden.

Wir haben verschiedene Atemräume. Grob gesagt, kann man in den Unterbauch (unterhalb des Bauchnabels), in den Oberbauch (oberhalb des Bauchnabels) und in den Brustkorb (vom unteren Ende des Brustbeins bis zu den Schlüsselbeinen) atmen.

Bei einer gesunden harmonischen Atmung werden alle diese Bereiche belüftet und wieder geleert. Oft schleichen sich jedoch unbewusste Atemmuster ein, die wir lieber nicht mit in unsere Pranayama-Praxis nehmen.

So haben Menschen, die zu Depression, Niedergeschlagenheit und Negativität leiden, oft die Angewohnheit, ausschließlich in den Bauch zu atmen. Der Brustkorb bleibt unbeatmet und ist oft eingefallen. Die Schultern hängen nach vorne und komprimieren den Brustraum, sodass es kaum möglich ist, dort hinein zu atmen. Solche Menschen können verstärkt Rückbeugen üben, an ihrer Schulterausrichtung arbeiten und üben in den Brustraum zu atmen.

Das andere Extrem sind Menschen, die keinen Zugang zu ihren Gefühlen haben oder diese verstecken und nach Außen hin „eine Show“ abziehen. Sie atmen ausschließlich in den Brustraum und der Bauch wird nicht beatmet und ist oft sogar verhärtet. Für diese Menschen sind Vorbeugen und Drehungen gut und sie sollten üben, den Bauch weich zu lassen und dort hinein zu atmen.

Das sind, wie gesagt, Extreme. Die meisten Menschen werden sich irgendwo dazwischen befinden. Über die Übung der Atemwellen werden solche Muster bewusst und man kann üben harmonisch zu atmen. Gleichzeitig werden die verschiedenen Atemräume und der Atemvorgang an sich bewusst. Diese Vorbereitung ist wichtig, um später Techniken wie z.B. Kapalabhati richtig ausführen zu können.

Atem-Wellen

Um uns mit unseren Atemgewohnheiten vertraut zu machen und sie auszugleichen, gibt es die Atem-Wellen, mit denen wir unsere Atemräume erforschen und lernen können, alle Bereiche gleichmäßig zu belüften. Die Atem-Wellen können von allen Schülern ab der ersten Yogastunde geübt werden.

Es gibt verschiedene Atem-Wellen-Techniken. Sie unterscheiden sich in der Anzahl der Atem-Räume, in die der Rumpf eingeteilt wird (2,3,6), in der Reihenfolge, in der diese gefüllt und geleert werden (hoch-runter, doppelt-aufwärts) und in der Körperhaltung (liegend, sitzend).

Die Atem-Wellen sind die Basis für alle anderen Pranayama-Techniken. So unterscheidet sich die Wechselatmung in ihrer Atem-Welle von Kapalabhati und dieses sich wiederum von Bhastrika. Die angewandte Atem-Welle ist manchmal sogar der grundsätzliche Unterschied zwischen zwei Techniken.

Bevor wir also die bekannten Übungen Wechselatmung, Kapalabhati und Bhastrika üben, wollen wir uns mit den wichtigsten Atem-Wellen bekannt machen:

  • 2geteilte auf und ab Welle (im Liegen und im Sitzen)
  • 2geteilte doppel-aufwärts Welle (im Liegen und im Sitzen)
  • 3geteilte auf und ab Welle (im Liegen und im Sitzen)
  • 3geteilte doppel-aufwärts Welle (im Liegen und im Sitzen)

Die 6geteilten Wellen lasse ich in diesem Kontext aus, da sie ihre Bedeutung eher für Meditationstechniken haben.

 

So werden die Atemwellen geübt:

Am einfachsten ist es, wenn du die Atemwellen zunächst im Liegen übst. Zuerst auf und ab, danach doppelt aufwärts. Danach kannst du das Gleiche im Sitzen ausprobieren.

2-geteilte auf und ab Welle (im Liegen und im Sitzen)

Für die 2-geteilte auf und ab Welle legst du eine Hand auf den Nabel und die andere Hand auf den Brustkorb auf Höhe des Herzens. Bevor du mit der eigentlichen Welle beginnst, kannst du dich mit den Atemräumen vertraut machen, indem du zuerst einige Male exklusiv in den Bauch ein- und ausatmest und danach einige Male exklusiv in den Brustkorb.

Wenn dir das gut gelingt, kannst du die erste Hälfte der Einatmung in den Bauch und die zweite Hälfte in den Brustkorb bringen. Danach atmest du in umgekehrter Reihenfolge aus. Die erste Hälfte aus dem Brustkorb, die Zweite aus dem Bauch. Die Hände helfen dir dabei, den entsprechenden Atemraum besser fühlen zu können.

Mache das so lange, bis du das Gefühl hast, dass beim Einatmen eine 2-geteilte Welle von unten nach oben vom Becken bis zu den Schultern rollt und beim Ausatmen wieder hinab.

2geteilte doppel-aufwärts Welle (im Liegen und im Sitzen)

Als nächstes drehst du die Reihenfolge der Ausatmung um. Du atmest also zunächst in den Bauch ein, danach in den Brustkorb und schiebst anschließend die Luft von unten nach oben wieder raus, indem du zuerst den Bauch und dann den Brustkorb leerst.

Übe das so lange, bis du das Gefühl hast, dass eine 2-geteilte Welle zweimal von unten nach oben durch den Rumpf rollt. Wenn du im Sitzen übst, kannst du dir diese Welle als Energie-Welle vorstellen, die sich von unten nach oben durch die Wirbelsäule bewegt.

 

3geteilte auf und ab Welle (im Liegen und im Sitzen)

Für die 3-geteilte Atemwelle werden die Atemräume wie folgt eingeteilt:

Der unterste Atemraum befindet sich zwischen dem Schambein und dem unteren Ende der freien Rippen, welche du seitlich am Rumpf findest. Das entspricht etwa dem oberen Ende des Bauchnabels.

Der zweite Abschnitt reicht von hier aus bis zum unteren Ende des Brustbeins und der dritte von hier bis zu den Schlüsselbeinen. Kurz gesagt könnte man die drei Atemräume mit unterem Bauch, oberen Bauch und Brustkorb bezeichnen.

Wie bereits bei der 2-geteilten Welle, beginnst du damit, die Atembereiche nacheinander von unten nach oben zu füllen und von oben nach unten zu leeren. Achte dabei darauf, dass jeder Abschnitt ein Drittel der gesamten Ein- bzw. Ausatmung ausmacht.

Das kannst du wieder so lange üben, bis du das Gefühl hast, das eine Welle aus Atem von unten nach oben durch den Rumpf rollt und jede Zelle mit Sauerstoff durchflutet und sich anschließend von oben nach unten wieder zurückzieht, wobei sie alle Abfallprodukte mit nimmt.

3geteilte doppel-aufwärts Welle (im Liegen und im Sitzen)

Nun kehrst du die Reihenfolge der Ausatmung um und schiebst den Atem von unten nach oben raus. Dabei kannst du das Bild der Zahnpastatube, die man von unten ausdrückt, zur Hilfe nehmen. Das erste Drittel der Ausatmung aus dem unteren Bauch, das zweite aus dem oberen Bauch und das dritte aus dem Brustkorb.

Die Welle rollt zweimal von unten nach oben durch den Rumpf. Im Sitzen kannst du dir eine Energie-Welle vorstellen, die sich zweimal durch die Wirbelsäule bzw. durch die Sushumna nach oben bewegt.

Die 3-geteilte doppelt-aufwärts Welle im Sitzen ist die Basis-Atem-Technik für die Wechselatmung, welche du hier drauf setzen kannst, wenn du die Atemwelle gut installiert hast. In Zeiten, in denen einige Menschen sich nicht mit den Fingern ins Gesicht fassen mögen, kann die 3-geteilte doppel-aufwärts Welle auch als Ersatz für die Wechselatmung geübt werden. Sie hat für sich schon eine sehr beruhigende Wirkung, die den Geist aber nicht träge sondern sehr wach und klar macht.

Auch für Kapalabhati solltest du mit dieser Atem-Welle vertraut sein, um es richtig ausführen zu können. Deshalb ist es für den Yoga-Unterricht sehr wichtig, die SchülerInnen zuerst mit den Atemwellen vertraut zu machen, bevor man mit den Pranayamas beginnt. Sie werden gesunde und vollständige Atemgewohnheiten entwickeln und die Anweisungen besser umsetzen können.

Gauri Daniela Reich, Juli 2020

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