Asana - nur ein Schritt von 7, aber für alle von Bedeutung.

Wenn man in der westlichen Welt von Yoga spricht, sind meistens Asanas gemeint. Manche schließen noch Pranayama mit ein, aber für die meisten Menschen ist Yoga ein Synonym für Asanas. Schade, denn Asanas sind lediglich die dritte Stufe von acht. Sharon Gannon und David Life bringen es in ihrem Buch „Yoga der Befreiung“ auf den Punkt:

Wenn man Asanas übt, ohne die anderen Stufen des Yoga zu praktizieren, ist es so, als würde man sich einen Sportwagen mit 1000 PS in die Garage stellen und den Motor ausbauen.

Das ist ein treffender Vergleich, denn Asanas wirken vor allem auf den Körper und geben unserem Yoga eine Form. Nämlich die Form einer Meditations-Haltung. Patanjali beschreibt in seinen Sutras keine einzige der berühmten Yoga-Haltungen. Alles, was er dazu schreibt ist, dass die Haltung stabil und bequem sein soll.

sthira-sukham-āsanam 2//46//
Das Asana (Sitzhaltung) soll fest und bequem sein.

Die ersten sieben Stufen beschreibt Patanjali eher kurz, während er sehr ausführlich auf Samadhi eingeht. Hier liegt also sein Fokus. Das bedeutet nicht, dass die anderen Stufen unwichtig währen, sonst hätte er sie nicht als Stufen des Yoga deklariert. Es gibt andere Schriften, die sich genauer mit den unteren Stufen auseinander setzen, wie z.B. die Hatha Yoga Pradipika.

Ins Gleichgewicht kommen

Patanjali gibt uns jedoch einen sehr wichtigen Hinweis darauf, wie wir Asanas üben sollten: Es geht darum, in jeder Position das Gleichgewicht zwischen zwei scheinbaren Gegensätzen zu finden. Zwischen Stabilität und Leichtigkeit. Für Stabilität brauchen wir eine gewisse Muskelanspannung. Leichtigkeit oder Bequemlichkeit haben eher mit Entspannung zu tun.

Eine Entspannung in der Meditations-Haltung kommt dadurch zu Stande, dass der Körper in eine gewisse Geometrie gebracht werden kann, in der sich die Wirbelsäule quasi von selbst aufrichtet. Dies ist beispielsweise im Lotus-Sitz der Fall. Für diese und andere Haltungen, die für die Meditation empfohlen werden, müssen unsere Hüften beweglich und unser Rücken gesund sein.

An dieser Stelle kann ich nicht sagen, ob Patanjali, als er seinen Text verfasst hat, damit rechnete, dass es einmal Menschen geben würde, die den ganzen Tag auf Stühlen sitzen, sich quasi nicht mehr bewegen, ziemlich übersäuert und unbeweglich sind und reihenweise Bandscheibenvorfälle bekommen.

Asanas als Vorbereitung auf den Meditationssitz

Auf jeden Fall ist es für die miesten Menschen heutzutage sehr schwierig Padmasana, den Lotus-Sitz einzunehmen. Deswegen ist es notwendig andere Asanas als Vorbereitung darauf zu üben.

Asanas reinigen den Körper und machen ihn stark und flexibel. Gleichzeitig bereiten sie das Energiesystem auf Pranayama vor. Asanas helfen, den Körper möglichst gesund zu erhalten, denn Krankheit kann uns auf dem spirituellen Weg ein Hindernis sein. Asanas helfen uns zwischen den Gunas rajas und tamas in ein sattviges Gleichgewicht zu kommen und balancieren die Doshas aus.

Somit hat die Asana-Praxis nicht nur einen vorbereitenden Effekt auf die Praxis der höheren Stufen, sondern auch auf unsere Arbeit mit den Yamas und Niyamas. Denn je mehr wir ins sattva, also in die Klarheit und Ausgeglichenheit kommen, desto angemessener können wir uns im Alltag anderen gegenüber verhalten und über uns selbst reflektieren.

Dies erklärt, warum Menschen, die Asanas üben, sich aber noch nie mit Yoga-Schriften auseinander gesetzt haben und nicht wissen, was Yamas und Niyamas sind, dennoch eine positive Veränderung in ihrem Alltagsleben feststellen.

Bleibt man jedoch auf der Stufe der Asanas stehen, wird man sich auf dem spirituellen Weg nicht viel weiter entwickeln. Asanas wirken vorrangig auf den Körper. Pranayama wirkt in erster Linie auf den Energiekörper und Konzentration und Meditation auf den Geist. Wer also nur Asanas übt, gibt sich mit dem körperlichen Teil des Yoga zufrieden und geht nicht zu seinen subtileren Hüllen weiter.

Keine Schmerzen bitte!

Aber noch einmal zurück zur Ausführung der Asanas. Fest und bequem soll ein Asana gehalten werden. D.h. Schmerz ist ausgeschlossen. Sowohl für die Meditations-Haltung, als auch für alle anderen Positionen. Schmerz lenkt den Geist ab und fixiert ihn im Körper. Die Konzentration auf den Atem oder ein inneres Objekt wird unmöglich. Deshalb ist eine schmerzhafte Praxis kein Yoga.

An dieser Stelle möchte ich unter dem Punkt Asana nochmal auf die Unterscheidung zwischen der Meditations-Haltung an sich und der Asana-Praxis als Vorbereitung darauf hinweisen. Die Meditations-Haltung kann über einen langen Zeitraum (mindestens so lange, wie wir meditieren wollen) stabil und ohne Anstrengung gehalten werden.

D.h. Die Wirbelsäule kann mit möglichst wenig Muskelarbeit aufrecht gehalten werden. Dies ist der Fall, wenn die entsprechende Geometrie eingenommen werden kann. Das ist wichtig, damit der Geist keine körperliche Ablenkung erfährt, was die Voraussetzung für Konzentration auf ein Konzentrationsobjekt ist.

Beim Üben der vorbereitenden Asanas ist eine gewisse Anstrengung notwendig, um Fortschritte zu machen. Hier ist unser gesunder Menschenverstand gefragt, um das richtige Gleichgewicht zu finden. Strengen wir uns zu sehr an, können wir uns verletzen und werden es wahrscheinlich schwierig finden, eine regelmäßige Praxis über einen längeren Zeitraum zu integrieren. Einfach weil es keinen Spaß macht so zu üben.

Sind wir andererseits zu bequem und strengen uns gar nicht an, fehlt der körperliche Reiz und wir werden uns nicht weiter entwickeln (kein Zuwachs an Kraft, Beweglichkeit und Koordination).

Hingabe hilft, das richtige Maß zu finden

Hier hilft uns ishvara pranidhana, die Hingabe an Gott.

Wenn wir unsere Praxis einfach machen, um sie zu machen und Gott dar zu bringen - womöglich aus Dankbarkeit für diesen wundervollen Körper, können wir die Fortschritte los lassen.

Wichtig ist nur, dass du übst. Dann werden sich alle Wirkungen und Fortschritte einstellen. Alles kommt zum richtigen Zeitpunkt und den kennt nur das Universum. Wir dürfen also geduldig sein bzw. ganz los lassen. Ist das nicht eine tolle Nachricht? Das bedeutet, wir müssen nicht verbissen darauf hin trainieren, irgendeine Pose zu können, sondern wir können einfach Spaß haben und Asanas üben!

...und dann wird es still...

Patanjali schreibt, dass die Haltung dann zum Asana wird, wenn Anstrengung aufhört und Meditation auf die Unendlichkeit eintritt. Das ist ein spannender Satz, denn er sagt uns, dass Meditation von selbst kommt, wenn wir Asana gemeistert haben. Denn dann fließt das Prana ruhig und ungestört und der Geist wird still.

prayatna-śaithilya-ananta-samāpatti-bhyām //2//47//
Asana ist, wenn Anstrengung aufhört und Meditation auf die Unendlichkeit eintritt.

Vielleicht hast Du das schon einmal erlebt, dass Du nach der Yogastunde einfach sitzen bleibst und dein Geist leer ist? Nichts tut weh, es braucht keine Konzentration oder Anstrengung, du sitzt einfach da und in dir ist es still. Genau das ist es, was Patanjali meint, wenn er schreibt, dass man im Asana nicht mehr von den Gegensatzpaaren angegriffen oder abgelenkt werden kann.

tato dvaṅdva-an-abhighātaḥ //2//48//
Im Asana gibt es keinen Angriff der Gegensatzpaare.

Die Gegensätze ziehen den Geist an. Unser Geist funktioniert in der dualistischen Welt und hängt sich gerne an Extreme. Aber nichts davon ist real. Im Asana haben wir alle Extreme integriert und verweilen still und ruhig in der Mitte. Dieser Zustand ist weder anstrengend oder schmerzhaft, noch hat er etwas mit Dumpfheit oder Müdigkeit zu tun.

Manche Meditierende glauben, dass die Meditation kommt, wenn sie nur lang genug die Schmerzen ausgehalten haben und dann abgestumpft sind. Abgestumpftheit ist nicht Yoga. Wir üben Asanas als Vorbereitung auf die Meditation, damit wir dabei keine Schmerzen haben und den Geist konzentrieren können.

Der Geist ist in diesem Zustand wach und sehr aufmerksam. Also genau das Gegenteil von stumpf. Das Interessante ist, dass ein Schmerz, der in diesem höheren Zustand auftaucht, sehr genau wahrgenommen und registriert wird. Es entsteht jedoch kein Verlangen nach Handlung, weil der Geist einfach nur beobachtet. Es wird erkannt, dass die Wahrnehmung das Selbst nicht berührt. 

Gopali Devi Dasi, Daniela Reich

Wir benötigen Ihre Zustimmung zum Laden der Übersetzungen

Wir nutzen einen Drittanbieter-Service, um den Inhalt der Website zu übersetzen, der möglicherweise Daten über Ihre Aktivitäten sammelt. Bitte überprüfen Sie die Details in der Datenschutzerklärung und akzeptieren Sie den Dienst, um die Übersetzungen zu sehen.